Mit
ihrem angeblichen Kampf gegen Hunger rechtfertigen Agrokonzerne wie Monsanto
oder Syngenta den Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut in der
Dritten Welt. Dieses Argument schieben sie in der Debatte um die Gentechfrei-Initiative
immer wieder vor. Die Gentech-Industrie, die sich philantropisch des Hungerproblems
annimmt? Weit gefehlt. Der Gentech-Industrie geht es vielmehr um neue Absatzmärkte.
Wenn sich die Gentechnik in der Landwirtschaft durchsetzt, werden künftig
noch mehr Menschen hungern. Im Land von Syngenta, wie auch im übrigen
Europa, wollen die wenigsten Bauern und Konsumentinnen etwas von Gentech-Food
wissen. Es bilden sich sogar zahlreiche gentechfreie Zonen wie das Tessin,
die Toscana oder Oberösterreich. Die Multis wittern Chancen für
neue Absatzmärkte in der Dritten Welt, etwa in Indien, Guinea-Bissau
und Tansania.
Gentech
für die "Dritte Welt"
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Beispiel
gefällig? Vor rund zwei Jahren bewilligte die indische Regierung den
Anbau von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle. Mittlerweile wird
diese Monsanto-Pflanze in Indien auf über 1,25 Millionen Hektaren angebaut
- und die Erfahrungen der Produzenten lassen Schlimmes befürchten.
Die Versprechen der Hersteller, die Bauernfamilien könnten dank dem
teuren und patentierten Saatgut eine größere Ernte einfahren,
haben sich laut unabhängigen Studien nicht bewahrheitet. Im Gegenteil
- manchen Bauern droht der Ruin.
Das patentierte Gentech-Saatgut müssen die Landwirte für jede
Aussaat neu kaufen, was sie von Saatgutfirmen aus den Industrienationen
abhängig macht - eine neue Art Kolonialisierung zeichnet sich ab. In
der Dritten Welt dient häufig ein Teil der Ernte als Saatgut fürs
nächste Jahr. Kommt hinzu: Entgegen den Behauptungen der Befürworter
nimmt der Chemie-Einsatz nur zu Beginn ab. Mittel- und langfristig steigt
er auf Gentech-Feldern an, wie Zahlen des USLandwirtschaftsministeriums
belegen.
Die chemischen
Produkte können sich die Menschen in der Dritten Welt nur in Ausnahmefällen
leisten. Denn in den Entwicklungsländern leben nach wie vor bis zu
80 Prozent der Menschen als Kleinstproduzenten von weniger als einem Hektar
Land. Die Gentech-Landwirtschaft ist auf die industrielle Bewirtschaftung
großer Monokulturen ausgerichtet. Ziel und Zweck ist es, Arbeitskraft
und Zeit zu sparen. Doch gerade darüber verfügen die Bauern in
der Dritten Welt reichlich. Wie rasch die Gentech-Landwirtschaft die Kleinbäuerinnen
und Kleinbauern verdrängt, läßt sich am Beispiel Argentinien
ablesen: Der Anbau von transgener Soja beschleunigte den landwirtschaftlichen
Konzentrationsprozess massiv, Zehntausende Kleinbetriebe gingen ein. Die
Bauern wanderten ab und blieben auf der Suche nach Arbeit in den Slums der
Vorstädte hängen. Ein Auskommen fanden sie dort nicht. Die Bauernfamilien
erwarteten Mangelernährung, Langeweile und fehlende Perspektiven.
Alternativen zur Gentech-Landwirtschaft existieren wohl. Angepasste ökologische
Landwirtschaft heißt das Stichwort. Diese ist günstig und auch
in der Dritten Welt gang und gäbe.
Das Nebeneinander von konventioneller Landwirtschaft und Gentech- Feldern
ist auf Dauer «kaum realisierbar». Zu diesem Schluss kommt das
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Die Umsetzung
von Freisetzungsvorschriften - sofern vorhanden - ist sehr teuer, und nutzlos:
In Westkanada wächst kein biologischer Raps mehr. Wenn nicht mal Kanada
in der Lage ist, das ursprüngliche Saatgut gentechfrei zu erhalten
- wie soll das ein Bauer in einem Entwicklungsland schaffen, der über
weit weniger Ressourcen verfügt? Kein Wunder, lehnen viele Entwicklungsländer
die Gentechnologie in der Landwirtschaft ab. Sie wollen keine gentechnisch
veränderten Organismen, sei es als Nahrungsmittelhilfe oder als Saatgut.
Niemand
will Gentechnik
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Benin
hat 2002 ein fünfjähriges Moratorium beschlossen, Sambia, Sudan
oder Angola haben gentechnisch veränderten Mais als Nahrungsmittelhilfe
abgelehnt oder verlangt, dass der Mais gemahlen eingeführt wird. Sie
wollten so eine Kontaminierung der einheimischen Maissorten verhindern,
denn der zum Essen bestimmte Mais wird häufig als Saatgut verwendet.
Ihre Befürchtung ist begründet. In Mexiko sind verschiedene Ursorten
von Mais bereits kontaminiert, weil US-Importmais angesät wurde. Die
Kommission des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta hat deshalb
Mexiko empfohlen, den Maisimport aus den USA drastisch zu reduzieren und
äußert vorsichtig mit der Freisetzung von gentechnisch verändertem
Saatgut umzugehen. Für gentechkritische Entwicklungsländer sind
unterstützende Zeichen aus Europa sehr wichtig - auch aus der Schweiz,
wo mit Syngenta der grösste Agrochemie-Konzern der Welt seinen Hauptsitz
hat. Sagt die hiesige Bevölkerung Nein zu Gentechnik in der Landwirtschaft,
hat das Signalwirkung,
wie das Beispiel Malaysia zeigt: Dort wurde das Syngenta-Herbizid Paraquat
2002 vor allem darum verboten, weil es in der Schweiz mit einem Verbot belegt
ist.
Mit
Gentechnik wird Hunger gesät !
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Bleibt
die Frage: Lässt sich mit Gentechnologie in der Landwirtschaft der
Hunger bekämpfen? Wagen wir einen Blick auf die Gentech-Produktepalette
der Dritten Welt: Angebaut werden vor allem Baumwolle, Soja und Mais - für
den Export, zur Tierfutterproduktion in den Industrieländern. Das Land
fehlt für den Anbau von Nahrungsmitteln für die Bevölkerung.
Mit Gentechnologie wird in der Tat Hunger gesät. Ein Nebeneinander
von konventioneller Landwirtschaft und Gentech-Feldern ist laut dem FiBL
in Frick «kaum realisierbar»
Mittelland Zeitung Gesamtausgabe, 18.06.2005
Gastautorin: Die Gentechfrei-Debatte aus Sicht der Hilfswerke
AUTORIN
Caroline Morel ist 36 Jahre alt und seit 2002 Geschäftsleiterin von
Swissaid. Die Ethnologin hat in Nicaragua gearbeitet, wo G90-Saatgut zugelassen
werden soll. Swissaid ist Mitglied des Pro-Komitees der Gentechfrei-Initiative,
die diese Woche vom Nationalrat abgelehnt worden ist.
CAROLINE MOREL
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