Juli 2014 www.initiative.cc

FIFA Fussballverband
Rote Karte für FIFA und Co

Die anfängliche Begeisterung im Namen des schönen Spiels, des „Jogo Bonito“, ist in Brasilien schon im Vorfeld großer Ernüchterung gewichen. Zu gewaltig sind die negativen Begleiterscheinungen des Sport-Großereignisses, die vor allem den ärmeren Teil der Bevölkerung treffen.Während der Internationale Fußballverband FIFA und seine Partner sich auf satte Gewinne und Steuerfreiheit freuen dürfen, wird es für Brasilien eng. ( Quelle: Südwind )

Die FIFA

Die Internationale Föderation des Verbandsfußballs ist ein Verein mit Sitz in Zürich und organisiert große Fußballbewerbe wie Europa- und Weltmeisterschaft. Sie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer gut geölten Marketingund Geldmaschinerie entwickelt. Mit ihren Anwälten schaut die FIFA penibel auf die Einhaltung ihres für sie sehr lukrativen Vermarktungsregelwerks. Allein die weltweiten Fernsehrechte sichern dem Verband Einnahmen in Milliardenhöhe, dazu kommt das Geld aus den Werbeverträgen mit den Sponsoren. In Zahlen: Bei der WM in Südafrika konnten 2,5 Milliarden Euro steuerfrei kassiert werden, die Fernsehrechte der Weltmeisterschaften 2002 und 2006 brachten 1,8 Milliarden. Exklusivität und Steuerfreiheit für sich und die Sponsoren sind fixer Bestandteil der Vergabekriterien für die großen Sportevents. In den letzten Jahren geriet die FIFA wegen der von ihr vorangetriebenen Kommerzialisierung des Fußballs und des Vorwurfs von Schmiergeldzahlungen in die Kritik. 2012 erhielt sie von der Journalistenvereinigung "netzwerk recherche" den Negativpreis "Verschlossene Auster" für die völlige Intransparenz ihrer Finanzgebarung.

Fatale Monopole

Bevor die FIFA einem Land den Zuschlag für die Ausrichtung der WM gibt, wird ein aufwändiges Regelwerk ausgehandelt, das ihr weitgehende Rechte und Monopole sichert. So etwa Steuerfreiheit für sich selbst und ihre Sponsoren - wie Coca-Cola, Adidas oder Mc Donalds, die für einen Zeitraum von vier Jahren von Steuerabgaben in Brasilien befreit sind. Außerdem wird in vielen Gebieten der Straßenhandel verboten, insbesondere rund um die Stadien. Nur von der FIFA akkreditierte Firmen dürfen dort bestimmte Produkte der Großsponsoren verkaufen - die FIFA verdient natürlich mit. Eine fatale Bestimmung in einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung vom informellen Sektor, u.a. dem Straßenverkauf, lebt.

Vertreibung bis zum Anpfiff


Die Vorbereitungen für das Großereignis WM - ebenso für die Olympischen Sommerspiele 2016 - haben den Prozess der Gentrifizierung* in den brasilianischen Städten radikalisiert. Mit oft undurchsichtigen und nicht nachvollziehbaren Begründungen zwingen korrupte Behörden die BewohnerInnen zentral gelegener Favelas (Armenviertel), ihre Häuser zu verlassen und siedeln sie in eilig hochgezogene Wohnsilos in der Peripherie um. Allein in Rio de Janeiro sind 70.000 Menschen betroffen. Während Baufirmen und Immobilienspekulanten dicke Profite einfahren, haben die Armen das Nachsehen: Familien und gewachsene Gemeinschaften werden zerrissen, Proteste mit massiven Polizei- und Militäreinsätzen klein gehalten.

* Gentrifizierung bezeichnet einen Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel – ärmere Bevölkerungsgruppen werden verdrängt, wohlhabenderer ziehen zu. Parallel dazu steigt das Wohnpreisniveau.

Betrug an der Bevölkerung

Euphorisch versprach der ehemalige brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva 2007, dass die Gelder zur Finanzierung der WM von privaten Unternehmen stammen werden. Wahr ist heute, dass 99 Prozent aus der Staatskasse kommen. Vorsorglich wurde noch ein eigenes Gesetz (Lei Geral da Copa) erlassen, welches den Kommunen und Städten erlaubt, sich speziell für die WM immens zu verschulden. Das kommt nicht überraschend, denn schon Südafrika blieb nach der Fußball-WM 2010 auf einem Schuldenberg von 2,3 Milliarden Euro sitzen, während sich die FIFA mit 2,5 Milliarden Gewinn in die Schweiz zurückzog. Und die brasilianische WM wird mehr Geld verschlingen als die letzten beiden zusammengenommen, man erwartet schließlich eine WM der Superlative. Für sogenannte Infrastrukturmaßnahmen und den Bau bzw. Umbau von Fußballstadien flossen bis dato bereits acht Milliarden Euro an öffentlichen Geldern. Nach der WM werden viele der Stadien privaten Betreibergesellschaften übergeben; die Erlöse aus dem Betrieb erhalten diese Firmen, nicht die öffentliche Hand.

Unmoralische Verhältnisse

Brasilien verfügt demnächst zwar über die beste Ausstattung mit Fußballstadien, aber öffentliche Schulen und Krankenhäuser darben und bei den Sozialausgaben wird gespart. Die dringend notwendigen Investitionen in den öffentlichen Verkehr werden seit Jahrzehnten verschoben. Die Rate der AnalphabetInnen unter der brasilianischen Bevölkerung ist die zweithöchste Südamerikas, die Gesundheitsvorsorge kläglich. Hinzu kommt, dass selbst Hunger in Brasilien noch immer ein Thema ist. Wie auch anderswo gilt: je ärmer die Menschen sind, desto stärker sind sie von den Missständen betroffen. Jetzt haben die BrasilianerInnen die Nase voll von Verschwendung, Korruption und Willkür und leisten Widerstand - zu Recht.

Vertriebene berichten

Im Zuge der Baumaßnahmen rund um die WM haben viele Menschen ihr Zuhause verloren. Das SÜDWIND-Aktionsteam war vor Ort und hat mit den Betroffenen gesprochen.

Edison da Silva Oliveira lebte seit 49 Jahren mit seiner Familie in einem eigenen Haus in der Favela Providencia, der ältesten Armensiedlung Lateinamerikas. Sie besteht seit 1897. Vor kurzem wurde dieses Haus abgerissen. Seither ist auch die Familie zerrissen. Eine Wohnung im Viertel kann sich Edison nicht leisten, er wohnt jetzt bei einer Tochter, in engsten Verhältnissen. Edison ist 73 Jahre alt und seine Zukunft ungewiss. In seiner Favela sind insgesamt 832 Familien von Zwangsräumungen betroffen. Edison: "Ich wollte nicht wegziehen, ich wollte bleiben. Wenn du 30 Jahre in einem eigenen Haus wohnst, wirst du an dem Tag, an dem du weg musst, einen Stich in deinem Herzen fühlen."

Francisco Eomar ist 39 Jahre alt, seine Frau im sechsten Monat schwanger. Er lebte 19 Jahre lang mit seiner Großfamilie im selbst gebauten Haus in der Favela Mangueira beim berühmten Maracanã-Stadion. Dann wurde das Haus mit einer fadenscheinigen Begründung zwangsgeräumt und abgerissen. Angeblich habe es sich in einer Gefahrenzone befunden. Die Familie ist nun in alle Richtungen zerstreut. 650 Familien sind in dieser Favela betroffen. Francisco Eomar: "Von einer Stunde auf die nächste wurden wir gezwungen, unsere Habseligkeiten zusammenzupacken und in die LKWs zu stopfen, die auf der Straße auf uns warteten."

Forderungen und Aktivitäten von SÜDWIND

Mit intensiver Öffentlichkeits- und Pressearbeit, Informationsveranstaltungen, öffentlichen Aktionen und Interventionen machen wir in den kommenden Wochen auf die untragbare Situation in Brasilien aufmerksam. SÜDWIND setzt sich massiv für verbindliche soziale Richtlinien bei der Vergabe von WM, Olympia und Co ein.

Unsere zentralen Forderungen:

Hier der Folder von Südwind, dem dieser Text entnommen wurde: http://doku.cac.at/sw_brasilienwm14_folder.pdf

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