Jänner 2006www.initiative.cc
Schrimps und Garnelen
Massenhaft gezüchtet - Massenhaft die Zerstörung !
von
Ariane Moos
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Von
Ariane Moos für ZEIT.de
Man sollte kein Fleisch essen. Alleine aus Sicht der Massentierhaltung,
Überzüchtung und Nahrungsmittelknappheit der Exportländer
wegen fehlender Ackerflächen, verbieten dies eigentlich dem ethischen
und moralischen Verständnis eines politisch korrekt denkenden Bürgers.
Da die Meere überfischt sind, orientieren sich die Verbraucher schuldbewusst
um und konsumieren zunehmend Schalen- und Krustentiere: Sushi-Restaurants
boomen und Garnelensnacks generieren in Richtung Fast-Food. In den letzten
Jahren ist die Nachfrage nach Shrimps, Krabben und deren Artgenossen sukzessive
gestiegen. Die Erhöhung der Produktion lässt die Preise sinken
und die einstigen Luxusgüter sind zum Trend-Food geworden: Im Jahr
2003 verspeiste jeder deutsche Bundesbürger 1,4 Kilo Garnelen.
Doch auch der Genuss der exquisiten Schalentierchen ist nicht ungetrübt.
Ein Drittel der global gehandelten Shrimps wird mittlerweile künstlich
gezüchtet.
Dorit Siemers und Heiko Thiele reisten fünf Monate durch Mittelamerika und untersuchten die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Shrimpkulturen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Ende der 1980er-Jahre wurde die Garnelenzüchtung als Zaubermittel gepriesen: Die eiweißhaltigen Tiere sollten die Ernährungsprobleme der südlichen Länder lösen, gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen und für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen. Ähnlich wie einst bei der grünen Revolution, wo man das Allheilmittel in der produktivitätssteigernden Wirkung der Düngemittel vermutete, sah man bei der blauen Revolution die Lösung der Probleme in den Aquakulturen. Weltbank und Entwicklungshilfe-Programme förderten diese Entwicklung intensiv und brachten einen Kreislauf in Gang, der viele Verlierer und wenig Profiteure zu Tage förderte.
Um
ein Kilo Shrimps zu produzieren werden zuvor zwei bis drei Kilo Fischmehl
verfüttert.
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Die natürlichen Bestände reichen längst nicht mehr aus; die Larven werden mittlerweile in Laboratorien hergestellt (und gentechnisch verändert) und die Garnelen in riesigen Shrimp-Farmen gezüchtet. Die Mangrovenwälder entlang der subtropischen und tropischen Küsten, die zu den produktivsten Ökosystemen der Welt gehören, eignen sich besonders gut zur Errichtung der Zuchtbecken. In dem guatemaltekischen Fischerdorf Champerico werden in 34 Bassins 200.000 Garnelen pro Hektar gezüchtet. Sie sind keine guten Futterverwehrter: Um ein Kilo Shrimps zu produzieren werden zuvor zwei bis drei Kilo Fischmehl verfüttert. Um Krankheiten entgegenzuwirken, werden täglich 30-50% des Wassers ausgetauscht. Die Gefahr von Seuchen wird mit Antibiotika und Chemikalien gebannt, die mit dem Wasseraustausch direkt in die Mangroven gespült werden. Einige der eingesetzten Produkte sind in der EU verboten, da sie Krebs und Mutationen hervorrufen können. Die gesundheitlichen Schäden bei Menschen und Tieren bleiben dementsprechend in den Umgebungen der Zuchtfarmen nicht aus. Zwar gibt es durchaus Umweltgesetze und Naturschutzgebiete, doch die Unternehmen werden nicht zur Verantwortung gezogen, da es niemanden gibt, der Anzeigen verfolgt, erläutert Thiele.
In vielen Regionen hat der Garnelenfang eine existenzielle Bedeutung für die Menschen: Er bietet die Lebensgrundlage der Selbstversorgung und stabilisiert die lokalen Märkte. Seit der Expansion der Shrimpzucht ist dies kaum noch möglich: Die Mangroven werden abgeholzt, der Grundwasserspiegel sinkt, der Salzgehalt steigt und das Wasser wird zunehmend durch die eingesetzten Gifte kontaminiert.
Die Becken können jedoch nur temporär genutzt werden: Nach zehn bis zwölf Jahren sind sie so verbraucht (vergiftet), dass sie stillgelegt werden müssen. Da es für die Konzerne günstiger ist, neue Produktionsanlagen zu bauen als die alten aufzubereiten, suchen sie sich neue Standorte. Zurück bleiben ausgelaugte und für lange Zeit verseuchte Böden. Die Kapazitäten der Küstenregionen mit den benötigten Bedingungen sind begrenzt, weshalb ständig neue Zuchtorte gesucht werden. In der letzten Zeit haben vor allem die Küsten Afrikas an Attraktivität gewonnen und Garnelenzucht wird dort zunehmend umgesetzt.
Gewinner
sind die transnationalen Konzerne
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Die "blaue Revolution" hat weder die Armut gemindert noch den ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung herbeigeführt. Indische Umweltgruppen errechneten, dass eine Shrimpfarm lediglich fünfzehn neue Arbeitsplätze schafft, zuzüglich weiterer fünfzig Leute, die als Sicherheits- und Wachpersonal benötigt werden. Mancherorts wird den Menschen der Zugang zu den Mangrovengewässern von der Shrimpkonzerne verwehrt und es gab sogar schon Todesopfer zu verzeichnen. Die Menschen sind gezwungen, ihr Geld unter schlechten Arbeitsbedingungen in den örtlichen Verarbeitungsindustrien zu verdienen. Die Menschen schädigen sich und die Natur weiter, weil sie gezwungen sind in diesen Fabriken zu arbeiten, sagt Thiele. Dadurch hätten die Konzerne die Macht, Löhne und Sozialstandards zu drücken.
Der Gewinn aus der
Garnelenproduktion fließt mit den Exporten außer Landes und
vornehmlich auf die Konten der transnationalen Konzerne. Thiele und Siemers
kritisieren die Zusammenarbeit der Regierungen mit den Großunternehmen:
Während Millionen in den Ausbau der Garnelenzucht fließen, bekommen
die Kleinbauern so gut wie keine Unterstützung. Lösungsvorschläge
gibt es nicht, konstatiert Heiko Thiele nüchtern. Garnelen aus
dem Meer, so erläutert er, seien genauso schädlich: Die
Schleppnetze reißen den Meeresboden auf und zerstören die Korallen.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Meeresfrüchte bald an Attraktivität
und die Garnelenzucht an Rentabilität verlieren.
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